Die DAB+-Lüge, oder „Eine Botschaft aus dem digitalen Tal der Ahnungslosen“
Digital Audio Broadcasting, also das digitale Übertragen von Ton, wird als der Nachfolger für das allbekannte UKW-System in den Medien beworben. Verheißungsvoll werden die großartigen Eigenschaften gepriesen und dem Kunden wird suggeriert, dass er nur mit einem DAB+-fähigen Empfangsgerät dazu gehört und hip ist. Besonders die hohe Sendervielfalt, die Möglichkeit der Übertragung von Metainformationen wie auch der rauschfreie Klang werden beworben.
So verkündet die Webseite digitalradio.de unter anderem, dass das Digitalradio aufgrund der größeren Programmauswahl vielfältiger und mit mehr Sendern für den ganz persönlichen Geschmack persönlicher sei. Das sind die ersten zwei der „10 Gründe für Digitalradio“, welche der Internetauftritt prominent auf der Startseite in einem rotierenden Werbebanner vorstellt. Dabei scheint es sich durchaus um eine seriöse und offizielle Quelle zu handeln, denn im Impressum wird die Seite als „Gemeinschaftsprojekt von ARD, Deutschlandradio, DRD Digitalradio Deutschland GmbH und Media Broadcast“ vorgestellt.
Ich muss gestehen, beim Frühstück gehört für mich seit langem das Radiohören einfach mit dazu. Ein Kaffee, einen Happen zu essen und dazu die seichte Unterhaltung der diversen Morning Shows, bevorzugt SWR1, das ist mein Morgenritual. Immer wieder wurden auch Werbeaktionen für DAB+ veranstaltet, häufig in Form von Gewinnspielen mit geeigneten Empfangsgeräten als Hauptpreis.
Nachdem unser altes, analoges Küchenradio, eine gute alte „Boombox“ aus den 90ern, ein Kasten mit CD, Kassette und Radio, vor eineinhalb Jahren den Geist aufgegeben hatte entschieden wir uns als dazu, das Experiment zu wagen und ein DAB+-fähiges Digitalradio anzuschaffen. Über die jetzige Marktsituation bei der Hardware kann ich nicht viel sagen, damals wurde unsere Wahl, ein AEG DAB 4124 für damals um die 70 Euro, im hiesigen Elektrofachgeschäft jedoch als das Spitzengerät im Sortiment angepriesen. Zweifelsohne ist der Klang für die Baugröße hervorragend – stereo, versteht sich – und auch die Bedienung ist mit ein paar Knöpfen mit gutem Druckpunkt denkbar einfach, so gesehen also ein guter und empfehlenswerter Kauf und auch bestens geeignet für nicht so technikaffine Menschen.
Die Ernüchterung, und das liegt nicht am Gerät, kam dann allerdings nach dem Sendersuchlauf: Überwältigende sechs Sender, SWR 1, 2, 3 und 4, SWRinfo sowie DasDing wurden in die Programmliste aufgenommen. Zunächst dachte ich an einen Fehler und konsultierte die Betriebsanleitung. Tatsächlich: Es gäbe eine Option mit der man die Empfindlichkeit des Suchlaufes beeinflussen konnte. Und tatsächlich erschienen nach einem erneuten Suchlauf auch die öffentlich-rechtlichen Sender des nahegelegenen Bayern in der Liste. Dann jedoch der erneute Rückschlag: Paketverluste ohne Ende, nur ab und zu war ein Wabern zu hören. Nur bei allerbestem Wetter ist überhaupt an Empfang zu denken, haben wir später festgestellt, doch auch dann mit gelegentlichen Aussetzern.
Wir machen einen Zeitsprung vom Herbst ’13 ins Hier und Jetzt. Leider hat sich die Situation in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht gebessert. Noch immer können wir nach wie vor nur die oben genannten Sender empfangen. Dies deckt sich auch mit der interaktiven Karte von digitalradio.de. Auch wenn man auf der Karte im Umland umher klickt scheint es zumindest in der Region eher die Regel als die Ausnahme zu sein.
Immerhin, man hat der Quantität Willen mittlerweile den Sender SWR4 in seine vier Regionalstudios aufgeteilt. Besser macht das die Sache freilich nicht, denn erstens ist das Programm über alle vier Sender hinweg überwiegend identisch, mit Ausnahme der Nachrichten vielleicht, und erschwerend kommt hinzu, dass man SWR4 nett gesagt eher als Heimatsender bezeichnen könnte. Das Programm richtet sich wohl hauptsächlich an eine Zielgruppe jenseits der 60 mit viel volkstümlichem Schlager sowie konservativer Musik und Chansons der 50er und 60er Jahre. Alles in allem also eher ein Sender, der nicht gerade meine Generation anspricht.
Was bleibt also vom großen Werbeversprechen?
Wollen wir mit dem positiven beginnen: Wahrlich ist der Klang, wenn man ihn denn hört, stets rauschfrei. Im Vergleich zu unserem alten analogen Radio mit seinen wetterbedingten Aussetzern ist das ganz klar ein Unterschied wie Tag und Nacht – keine Frage.
Dann hört es aber leider auch schon wieder auf. Die Metainformationen mögen ein tolles Feature sein, werden aber in aller Regel selten benötigt. Außerdem waren zumindest zum damaligen Zeitpunkt keine Geräte mit großem Display im Elektrofachgeschäft verfügbar. Geräte mit Farbdisplay wurden damals gar nicht angeboten und diejenigen mit LCD haben meist so kleine Schrift, dass man direkt vor dem Gerät stehen muss um den Text abzulesen. In diesem Sinne also eher ein Gimmick als ein nützlicher Mehrwert.
Die größte Enttäuschung war jedoch die Senderauswahl! Keine Privatsender, die öffentlich-rechtlichen nur aus Baden-Württemberg, obwohl die Grenze zu Bayern keine 10 Autominuten entfernt ist. Wo also die versprochene Sendervielfalt? Zum Glück kann unser Empfänger auch UKW empfangen und auch wenn mir die Pointe fast zu lächerlich erscheint muss ich sagen, dass die Musik im UKW spielt. Ich hab’s nicht gezählt aber analog bekommt man hier 20 oder 30 Sender geboten. Dabei sind die aufgezählten Digitalsender (abzüglich DasDing, welches hier nicht analog ausgestrahlt wird), sämtliche bayrische öffentlich-rechtliche, ein paar bundesweite Sender, allen voran das Deutschlandradio, und auch diverse Privatradios aus ganz Baden-Württemberg, dem bayrischen Umland und bei gutem Wetter sogar aus Hessen.
Wenn DAB+ eine Zukunft haben soll, und darauf scheinen die Verantwortlichen zu setzen, dann muss insbesondere bei der Sendervielfalt etwas getan werden. Man kommt sich als Kunde und Käufer durchaus leicht veräppelt vor wenn immer wieder mit einer viel höheren Sendervielfalt als Hauptargument geworben wird, man dann aber noch nicht einmal die aus dem UKW bekannten Sender herein bekommt. Hier kann noch nicht einmal die zögerliche Haltung der Privaten vorgeschoben werden, denn nicht einmal das komplette öffentlich-rechtliche Programm ist zu empfangen; was rede ich, noch nicht einmal ein Bruchteil davon. Ich hätte zumindest erwartet, dass ich sämtliche deutschen öffentlich-rechtlichen Sender über DAB+ empfangen könnte, aber Pustekuchen.
Wenn in diesem Bereich nicht dringend und zeitnah deutlich nachgebessert wird fürchte ich, dass DAB+ überholt sein wird bevor es überhaupt Fuß fassen können wird. Wer nicht mit der Zeit geht, geht bekanntlich mit der Zeit. Den Anreiz, mir ein weiteres DAB+-Gerät anzuschaffen oder jemanden hier in der Region eine Kaufempfehlung auszusprechen sehe ich derzeit jedenfalls auf keinen Fall.
Ich rate jedem, der über den Kauf eines DAB+-Radios nachdenkt dringend an, sich die oben verlinkte Karte anzusehen und zu überprüfen, welche Sender am eigenen Wohnort empfangen werden können. Im Zweifel ist man mit einem Webradio oft besser bedient und kann Sender aus der ganzen Welt kostenlos empfangen.