Das persönliche Blog von André Reichelt

Digital Audio Broadcasting, also das digitale Übertragen von Ton, wird als der Nachfolger für das allbekannte UKW-System in den Medien beworben. Verheißungsvoll werden die großartigen Eigenschaften gepriesen und dem Kunden wird suggeriert, dass er nur mit einem DAB+-fähigen Empfangsgerät dazu gehört und hip ist. Besonders die hohe Sendervielfalt, die Möglichkeit der Übertragung von Metainformationen wie auch der rauschfreie Klang werden beworben.

So verkündet die Webseite digitalradio.de unter anderem, dass das Digitalradio aufgrund der größeren Programmauswahl vielfältiger und mit mehr Sendern für den ganz persönlichen Geschmack persönlicher sei. Das sind die ersten zwei der „10 Gründe für Digitalradio“, welche der Internetauftritt prominent auf der Startseite in einem rotierenden Werbebanner vorstellt. Dabei scheint es sich durchaus um eine seriöse und offizielle Quelle zu handeln, denn im Impressum wird die Seite als „Gemeinschaftsprojekt von ARD, Deutschlandradio, DRD Digitalradio Deutschland GmbH und Media Broadcast“ vorgestellt.

Ich muss gestehen, beim Frühstück gehört für mich seit langem das Radiohören einfach mit dazu. Ein Kaffee, einen Happen zu essen und dazu die seichte Unterhaltung der diversen Morning Shows, bevorzugt SWR1, das ist mein Morgenritual. Immer wieder wurden auch Werbeaktionen für DAB+ veranstaltet, häufig in Form von Gewinnspielen mit geeigneten Empfangsgeräten als Hauptpreis.

Nachdem unser altes, analoges Küchenradio, eine gute alte „Boombox“ aus den 90ern, ein Kasten mit CD, Kassette und Radio, vor eineinhalb Jahren den Geist aufgegeben hatte entschieden wir uns als dazu, das Experiment zu wagen und ein DAB+-fähiges Digitalradio anzuschaffen. Über die jetzige Marktsituation bei der Hardware kann ich nicht viel sagen, damals wurde unsere Wahl, ein AEG DAB 4124 für damals um die 70 Euro, im hiesigen Elektrofachgeschäft jedoch als das Spitzengerät im Sortiment angepriesen. Zweifelsohne ist der Klang für die Baugröße hervorragend – stereo, versteht sich – und auch die Bedienung ist mit ein paar Knöpfen mit gutem Druckpunkt denkbar einfach, so gesehen also ein guter und empfehlenswerter Kauf und auch bestens geeignet für nicht so technikaffine Menschen.

Die Ernüchterung, und das liegt nicht am Gerät, kam dann allerdings nach dem Sendersuchlauf: Überwältigende sechs Sender, SWR 1, 2, 3 und 4, SWRinfo sowie DasDing wurden in die Programmliste aufgenommen. Zunächst dachte ich an einen Fehler und konsultierte die Betriebsanleitung. Tatsächlich: Es gäbe eine Option mit der man die Empfindlichkeit des Suchlaufes beeinflussen konnte. Und tatsächlich erschienen nach einem erneuten Suchlauf auch die öffentlich-rechtlichen Sender des nahegelegenen Bayern in der Liste. Dann jedoch der erneute Rückschlag: Paketverluste ohne Ende, nur ab und zu war ein Wabern zu hören. Nur bei allerbestem Wetter ist überhaupt an Empfang zu denken, haben wir später festgestellt, doch auch dann mit gelegentlichen Aussetzern.

Wir machen einen Zeitsprung vom Herbst ’13 ins Hier und Jetzt. Leider hat sich die Situation in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht gebessert. Noch immer können wir nach wie vor nur die oben genannten Sender empfangen. Dies deckt sich auch mit der interaktiven Karte von digitalradio.de. Auch wenn man auf der Karte im Umland umher klickt scheint es zumindest in der Region eher die Regel als die Ausnahme zu sein.

Immerhin, man hat der Quantität Willen mittlerweile den Sender SWR4 in seine vier Regionalstudios aufgeteilt. Besser macht das die Sache freilich nicht, denn erstens ist das Programm über alle vier Sender hinweg überwiegend identisch, mit Ausnahme der Nachrichten vielleicht, und erschwerend kommt hinzu, dass man SWR4 nett gesagt eher als Heimatsender bezeichnen könnte. Das Programm richtet sich wohl hauptsächlich an eine Zielgruppe jenseits der 60 mit viel volkstümlichem Schlager sowie konservativer Musik und Chansons der 50er und 60er Jahre. Alles in allem also eher ein Sender, der nicht gerade meine Generation anspricht.

Was bleibt also vom großen Werbeversprechen?

Wollen wir mit dem positiven beginnen: Wahrlich ist der Klang, wenn man ihn denn hört, stets rauschfrei. Im Vergleich zu unserem alten analogen Radio mit seinen wetterbedingten Aussetzern ist das ganz klar ein Unterschied wie Tag und Nacht – keine Frage.

Dann hört es aber leider auch schon wieder auf. Die Metainformationen mögen ein tolles Feature sein, werden aber in aller Regel selten benötigt. Außerdem waren zumindest zum damaligen Zeitpunkt keine Geräte mit großem Display im Elektrofachgeschäft verfügbar. Geräte mit Farbdisplay wurden damals gar nicht angeboten und diejenigen mit LCD haben meist so kleine Schrift, dass man direkt vor dem Gerät stehen muss um den Text abzulesen. In diesem Sinne also eher ein Gimmick als ein nützlicher Mehrwert.

Die größte Enttäuschung war jedoch die Senderauswahl! Keine Privatsender, die öffentlich-rechtlichen nur aus Baden-Württemberg, obwohl die Grenze zu Bayern keine 10 Autominuten entfernt ist. Wo also die versprochene Sendervielfalt? Zum Glück kann unser Empfänger auch UKW empfangen und auch wenn mir die Pointe fast zu lächerlich erscheint muss ich sagen, dass die Musik im UKW spielt. Ich hab’s nicht gezählt aber analog bekommt man hier 20 oder 30 Sender geboten. Dabei sind die aufgezählten Digitalsender (abzüglich DasDing, welches hier nicht analog ausgestrahlt wird), sämtliche bayrische öffentlich-rechtliche, ein paar bundesweite Sender, allen voran das Deutschlandradio, und auch diverse Privatradios aus ganz Baden-Württemberg, dem bayrischen Umland und bei gutem Wetter sogar aus Hessen.

Wenn DAB+ eine Zukunft haben soll, und darauf scheinen die Verantwortlichen zu setzen, dann muss insbesondere bei der Sendervielfalt etwas getan werden. Man kommt sich als Kunde und Käufer durchaus leicht veräppelt vor wenn immer wieder mit einer viel höheren Sendervielfalt als Hauptargument geworben wird, man dann aber noch nicht einmal die aus dem UKW bekannten Sender herein bekommt. Hier kann noch nicht einmal die zögerliche Haltung der Privaten vorgeschoben werden, denn nicht einmal das komplette öffentlich-rechtliche Programm ist zu empfangen; was rede ich, noch nicht einmal ein Bruchteil davon. Ich hätte zumindest erwartet, dass ich sämtliche deutschen öffentlich-rechtlichen Sender über DAB+ empfangen könnte, aber Pustekuchen.

Wenn in diesem Bereich nicht dringend und zeitnah deutlich nachgebessert wird fürchte ich, dass DAB+ überholt sein wird bevor es überhaupt Fuß fassen können wird. Wer nicht mit der Zeit geht, geht bekanntlich mit der Zeit. Den Anreiz, mir ein weiteres DAB+-Gerät anzuschaffen oder jemanden hier in der Region eine Kaufempfehlung auszusprechen sehe ich derzeit jedenfalls auf keinen Fall.

Ich rate jedem, der über den Kauf eines DAB+-Radios nachdenkt dringend an, sich die oben verlinkte Karte anzusehen und zu überprüfen, welche Sender am eigenen Wohnort empfangen werden können. Im Zweifel ist man mit einem Webradio oft besser bedient und kann Sender aus der ganzen Welt kostenlos empfangen.

Beeinflusst durch den gerade in aller Munde befindlichen US-Abhörskandal habe ich mich dazu entschlossen, meinen eigenen Abgeordneten im Bundestag mit einigen Fragen zu konfrontieren. Ich möchte diese der Öffentlichkeit nicht vorenthalten. Sollte Herr von Stetten antworten und sich dazu bereiterklären, die Antwort ebenfalls zur Veröffentlichung freizugeben, so werde ich diese hier ergänzen.

Sehr geehrter Herr von Stetten,
als Einwohner Ihres Wahlkreises und politisch interessierter und motivierter junger Mensch haben mich die neuerlichen Berichte zum US-Überwachungsskandal erreicht und natürlich nicht unberührt gelassen. Ging ich anfänglich noch davon aus, dass nur US-Bürger davon betroffen seien hat sich nun immer mehr gezeigt, dass offenbar im großen Stil systematisch weltweit spioniert und ausgespäht wurde und wird. Daher fühle ich mich nun auch persönlich verunsichert, in welchem Rahmen ich selbst von dieser Überwachung betroffen bin. Da laut Medienberichten auch die Büros von EU-Parlamentariern verwanzt worden sein sollen frage ich mich selbstverständlich auch, ob Mitglieder des deutschen Bundestages und insbesondere Sie als mein Wahlkreisrepräsentant abgehört wurden, beziehungsweise ob der Verdacht besteht.

Ich habe mich aufgrund meiner Verunsicherung dazu entschlossen, Ihnen diesen Brief zukommen zu lassen um Ihnen jene Fragen mitzuteilen, die mir derzeit durch den Kopf gehen. Insbesondere frage ich mich in welchem Umfang die Überwachungsmaßnahmen innerhalb der Bundesrepublik durchgeführt werden. Hat generell jeder Deutsche davon auszugehen, dass er ausgehorcht wird? Und ist Ihnen bekannt, welche Informationen genau gespeichert und/oder ausgewertet werden? Findet die Überwachung in Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten statt oder wurde ohne deren Wissen und über deren Köpfe hinweg gearbeitet? Und falls Letzteres zutrifft, ist es die Aufgabe unserer Geheimdienste, ausländische Übergriffe auf die Daten von in Deutschland lebenden Menschen zu verhindern und, wenn ja, kann diese Aufgabe effektiv erfüllt werden?

Erst vor wenigen Stunden hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Herr Martin Schulz, sein Befremden in einem Fernsehinterview ausgedrückt und seinen Missmut darüber geäußert, dass die EU von den USA offenbar als „feindliche Macht“ wahrgenommen beziehungsweise behandelt werde. Wissen Sie, in welchem Ausmaß die USA auch in Deutschland und in den einzelnen Deutschen Bürgerinnen und Bürgern eine Bedrohung sehen?

Nicht zuletzt möchte ich auch noch eine Frage an Sie als erfolgreicher Unternehmer in der Region richten: In den beiden Landkreisen Schwäbisch Hall und Hohenlohe agieren zahlreiche international tätige Unternehmen, die sich im weltweiten Wettbewerb behaupten müssen und dies bisher auch mit Bravur meistern. Ein wichtiger Faktor ist dabei natürlich die Wahrung der eigenen Geschäftsgeheimnisse. Je nach Umfang der Überwachungsmaßnahmen könnte es nun wohl auch dazu kommen, dass diese Geschäftsgeheimnisse in den Händen der US-Geheimdienste landen. In Anbetracht der schlechten wirtschaftlichen Lage der USA (das Land stand laut Medienberichten in den letzten Monaten mehrfach vor dem Staatsbankrott) könnte man nun wohl durchaus Begehrlichkeiten erahnen, diese in Erfahrung gebrachten Informationen zum Wohle der amerikanischen Wirtschaft zu nutzen und somit Industriespionage zu betreiben. Wissen Sie hierzu etwas? Ist sichergestellt, dass die Unternehmen im Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe keinen wirtschaftlichen Schaden durch die Überwachungsmaßnahmen zu befürchten haben?

Abschließend möchte ich Sie fragen, wie Sie die Rolle von Herrn Edward Snowden einschätzen. Aus meiner Sicht hat er der Bundesrepublik Deutschland durch seine Aufklärung einen großen und schätzenswerten Dienst erwiesen. Da Herr Snowden sich derzeit wohl auf der Flucht vor jenen Repressalien befindet, die er bei einer Rückkehr in die vereinigten Staaten zu befürchten hat möchte ich von Ihnen wissen, in wie fern Sie und Ihre Fraktion sich dafür einsetzen, dass Herrn Snowden für seine Taten gedankt wird. Gibt es insbesondere Bestrebungen, Herrn Snowden innerhalb Deutschlands oder der EU politisches Asyl oder anderweitigen Schutz vor Übergriffen der US-Geheimdienste zu gewähren? Gibt es außerdem Überlegungen, Abkommen wie die Fluggastdatenübermittlung zu überdenken?

Sehr geehrter Herr von Stetten, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir zumindest einen Teil der Fragen beantworten könnten. Da ich glaube, dass nicht nur ich selbst gerade verunsichert bin möchte ich mir erlauben, diesen Brief an Sie öffentlich zu verfassen. Mit Ihrer Genehmigung möchte ich gerne auch Ihre Antwort der Veröffentlichung beifügen, sodass interessierte Bürgerinnen und Bürger diese Fragen nicht erneut an Sie richten müssen und eine zuverlässige Informationsquelle zur Verfügung gestellt bekommen. Ich möchte mich bereits im Voraus für Ihre aufgewendete Zeit bedanken!

Mit freundlichen Grüßen aus Crailsheim
André Reichelt

Vieles ist schon gesagt worden zu den absurden Plänen der Deutschen Telekom, zukünftig ab der Überschreitung eines bestimmten Datenvolumens die Bandbreite bis zur Unkenntlichkeit zusammenzustreichen. Die bewährte Praxis aus den Datenfunknetzen soll nun also auch auf das DSL-Netz übertragen werden; die Flatrate wird zur Farce und die Telekom zur Drosselkom.

Was mir bei der Berichterstattung jedoch stets viel zu kurz kam, ist die volkswirtschaftliche Betrachtung dieses Vorgangs, denn jene Berichte, die ich gelesen habe, bezogen sich stets nur auf die Auswirkungen für den individuellen Privatnutzer. Man beachte, dass Firmenkunden ohnehin nicht von den Plänen der Telekom betroffen werden sein sollen.

Ich habe immer wieder Vergleiche mit einem Sportwagen gelesen, welches nach einer bestimmten, moderat langen monatlichen Fahrtstrecke nur noch maximal 1 km/h schnell fahren kann. Der Vergleich zeigt zwar die Absurdität, hinkt jedoch ein wenig.

Ich glaube, ich habe noch einen Besseren: Mittlerweile zahlt ja jeder brav seine GEZ-Gebühr seinen Rundfunkbeitrag an den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice. Nebenbei, wer hat sich eigentlich diesen Namen einfallen lassen? Wie auch immer, stellen wir uns folgende Analogie vor: Jeder, der im Monat mehr als 30 Stunden fern sieht, bekommt ab dann nur noch Schwarz-Weiß-Bild, welches unscharf ist als hätte man eine Milchglasscheibe vor dem Fernseher montiert, und der Ton klingt wie aus dem Dosentelefon. Immerhin wäre die GEZ der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice bereit dazu, das Sehen der Tagesschau beziehungsweise von ZDF Heute nicht vom Stundenpensum abzuziehen – wie gnädig! Für günstige 5,39 € könnte man dann weitere 30 Stunden ungetrübter Fernsehzeit zubuchen.

Klingt das nicht weltfremd? Tja, doch genau das hat die liebe graue Post Deutsche Telekom AG jetzt vor.

Nun ist es natürlich leicht, die schiere Profitgier als Grund vorzuschieben à la Datendurchsatz runter, Gewinn rauf. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Die Wahrheit ist nämlich leider ein wenig komplizierter!

Das deutsche Telefonnetz stammt, zumindest in Teilen, noch aus der Zeit des dritten Reichs. In jenen Tagen hat verständlicherweise noch keiner daran gedacht, dass in einer gar nicht all zu fernen Zukunft einmal farbige Fernsehbilder in gestochen scharfer Qualität mit Achtkanalton durch die dünnen Kupferkäbelchen geschickt werden sollen. Und wenn man bedenkt, dass der Farbfilm gerade einmal 110 und der Tonfilm 90 Jahre alt sind, dann ist dies auch nicht verwunderlich. Man war in jenen Tagen schon froh genug, wenn man mit einer anderen Person fernsprechen konnte, stand denn überhaupt irgendwo im Dorf ein Apparat zur Verfügung.

Doch zurück zum Thema: Das alte Kupferkabelnetz hat einen Nachteil: Die möglichen Bandbreiten pro Ader sind endlich. Und wer nicht gerade einen Verteiler unmittelbar vor der eigenen Haustür stehen hat, der darf sich über lange Ladebalken freuen. Bei VDSL mit 50 MBit/s ist dann selbst unter optimalen Bedingungen die Grenze des technisch möglichen und sinnvollen erreicht. DSL-Standards, die diese Bandbreite überbieten setzen dazu faule Tricks ein, die oft eine Behinderung für Mitbewerber oder andere Nutzer darstellen.

Dennoch versucht die Telekom krampfhaft, das letzte aus den alten Kupferkabeln herauszuholen. Das Problem ist nämlich, dass die Modernisierung des Netzes mit sehr hohen Kosten verbunden sein wird. „Sein wird“ deshalb, weil wir auf mittlere Sicht nicht darum herum kommen werden. Und hoch sind die Kosten, weil die so genannte letzte Meile, also das Telefonkabel vom Keller zum nächsten Verteilerkasten, ausgetauscht werden muss. Klar, dass das Aufreißen der kompletten Straße wie der Gärten nicht aus der Portokasse zu zahlen ist. Und wenn die Telekom heute ihr Netz modernisiert, dann werden in der Regel nur die beiden Endstücke getauscht, das patinierte Kabel bleibt jedoch an Ort und Stelle.

Das Problem ist nun, dass zwar der weltweite Datenverkehr zunimmt, die Netze der Telekom jedoch längst an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gefahren wurden. Die Telekom hat nun also zwei Möglichkeiten: Sie reduziert den Datenverkehr, oder sie steigert die Einnahmen, um das Netz ausbauen zu können. Die Drosselpläne sind das Ergebnis dieser Zwickmühle. Geplant ist eine Offensive an zwei Fronten: Zum einen die Reduzierung des Datenverkehrs durch künstliche Verknappung, sprich Drosselung der Leitungen, zum anderen das Angebot an Nicht-Wenignutzer, sich mit einen zusätzlichen Obolus am Netzausbau zu beteiligen. Zum Lohn wird das Netz dann bis zum Erreichen der nächsten Drosselstufe wieder in einen benutzbaren Zustand versetzt.

„Der Markt wird’s schon richten“, schreien jetzt wohl die Marktgläubigen. Und schon kommen die Ersten auf die Idee, mit den Füßen zu protestieren und einfach ihren Vertrag zu kündigen, um einen anderen Anbieter zu wählen. Das Spiel funktioniert jedoch nur bedingt, da, wie oben bereits erwähnt, das Telefonnetz in großen Teilen der Telekom gehört; alternative DSL-Anbieter mieten sich nur das Kabel. Und dadurch kann auch hier die Telekom Kraft eigener Arroganz die Mitbewerber durch Wuchermieten zur Handlung nötigen.

Mehrere parallele Datennetze unterschiedlicher Anbieter können auch nicht im Interesse des Kunden sein, denn für jedes Kabel müssen die komplette Straße wie auch sein Vorgarten aufgerissen werden. Das kostet Zeit, Nerven und vor allen Dingen Millionen Milliarden. Jedenfalls wird eines klar: Eine Firma, die zugleich ein Monopolnetz besitzt und betreibt, und zugleich als Internetdienstanbieter (ISP) auftritt, also Internetverträge anbietet, stellt eine Dualität dar, welche nicht im Interesse des Marktes und damit auch nicht in dem des Kunden ist.

Die Krux ist nun aber, dass ein Netzausbau unumgänglich ist, denn die deutsche Industrie ist zunehmend auf zuverlässige und breitbandige Datenverbindungen angewiesen, um ihren Betrieb aufrecht erhalten zu können. Immer mehr wird digitalisiert, der Datenverkehr steigt täglich. Und da auch der Kundenkontakt zunehmend über das Internet abgewickelt wird, kann nicht nur eine tadellose eigene Internetanbindung im Interesse der Unternehmen sein. Auch die Kunden am anderen Ende benötigen einen Zugang zum Netz, der nicht Mitte des Monats abgewürgt wird. Es wäre daher davon auszugehen, dass die deutsche Wirtschaft zunehmend von anderen Industrienationen abgehängt würde, die schon seit Langem große Summen in den Netzausbau und die Instandhaltung investieren.

Nun kann jedoch aus oben genannten Gründen keiner ernsthaft fordern, dass mehrere Anbieter parallele kabelgebundene Datennetze betreiben sollen. Aus meiner Sicht muss viel mehr sichergestellt werden, dass dieses quasi natürliche Monopol nicht missbraucht werden kann. Das Netz muss daher von der Telekom entflechtet werden und von einer neutralen Stelle verwaltet werden, die nicht an die unmittelbaren Gesetzen des Marktes gebunden ist. Gleichzeitig muss es aber ihr Interesse sein, das Datennetz stets in einem Zustand zu halten, der einer übermäßig erfolgreichen Volkswirtschaft wie der unsrigen gerecht wird.

Den Älteren unter meiner Leserschaft werden nun hoffentlich sofort grässliche Bilder einer grauen Vergangenheit mit einer noch graueren Post und einer Staats-Telekom in den Sinn kommen. Man erinnert sich an Zeiten, als man beim Wählscheibentelefon bestenfalls die Farbe auswählen konnte, und der Anschluss fremder Hardware mit der Todesstrafe bedroht wurde. Das kann also auch nicht unser Ziel sein.

Daher schließe ich mich der häufig zitierten Forderung: „Netze in Nutzerhand“, an! Konkret stelle ich mir darunter vor, dass die Nutzer des jeweiligen Netzes vor Ort eine Genossenschaft oder ein ähnliches Konstrukt gründen, um eigenverantwortlich ihr lokales Datennetz bereitzustellen. Nur ein derart dezentral organisiertes Netz kann sich optimal an die jeweils gültigen örtlichen Bedingungen optimal anpassen.

Auf den Ausbauplänen ganz unten steht häufig der ländliche Raum. Da erstaunt es kaum, dass bei den Einwohnern der kleinen Dörfer und Gemeinden der Ärger besonders groß ist, wenn dort die Drosselung ohnehin keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit des Netzes hätte. Denn was der Gesetzgeber unter einem Breitbandnetz versteht sieht der gemeine Internetnutzer wohl eher als schlechten Witz an.

Mit gutem Beispiel voran gingen daher diverse kleinere Orte in Bayern, die von der Telekom kategorisch im Stich gelassen wurden. So haben die Gemeinden Oberhausen und Türkenfeld bereits im letzten Jahr ein eigenes Glasfaser-Ortsnetz finanziert und erfolgreich verlegen lassen. Einige weitere Orte planen oder bauen bereits eigene Ortsnetze. Und was der Kunde davon hat: 50 MBit/s synchrone Bandbreite (im Gegensatz zu DSL, wo das Hochladen von Daten in der Regel achtmal so lange dauert wie das Herunterladen), ein ISDN-Telefonanschluss sowie Digitalradio und Digitalfernsehen direkt aus der Glasfaser. Und das Ganze gibt es zu einem Preis, der unmerklich über den üblichen Verdächtigen liegt (Triple Play für knapp 60 €/Monat inkl. sämtlicher Grundgebühren).

Sollte die Telekom tatsächlich zur Drosselkom werden, statt endlich die Netze auf den Stand des 21. Jahrhunderts zu bringen, sehe ich schwere Zeiten auf den Konzern zukommen. Außerdem hoffe ich, dass der Staat rechtzeitig eingreift und Gesetze zur Netzneutralität erlässt um so einen Riegel vor jene Pläne der Telekom zu schieben, die eine Bevorzugung von Kooperationspartnern vorsieht. Dies würde jene nämlich gegebüber der Konkurrenz start übervorteilen. Eine derartige Marktverzerrung darf nicht stattfinden!

Ich sitze hier gerade beim Bundesparteitag der Piraten in Neumarkt in der Oberpfalz. Es steht derzeit eine Stichwahl zur ständigen Mitgliederversammlung an und ich möchte an dieser Stelle nochmals die Gelegenheit nutzen zu erläutern, warum ich ein starker Verfechter der ständigen Mitgliederversammlung bin.

Viele gute Argumente wurden bereits genannt. Wichtig erscheint mir vor allen Dingen, dass eine breite Basis die Möglichkeit erhält, an unseren Entscheidungen teilzunehmen. Dabei wird immer wieder das Argument angeführt, dass jeder theoretisch die Möglichkeit hätte, an den Bundesparteitagen teilzunehmen. Eine Fahrgemeinschaft würde sich immer finden und es gäbe auch kein Problem, in der Halle zu schlafen. Faktisch wäre also die Teilnahme an Bundesparteitagen kostenlos, wenn man sich nur genug anstrengen würde.

Ich halte dieses erste Argument für falsch. In der Realität ist es nämlich so, dass oft vor allen Dingen Zeitgründe gegen die Teilnahme an Bundesparteitagen sprechen. Oft verlangen auch Fahrgemeinschaften, gerade, wenn es über längere Strecken geht, eine Kostenbeteiligung. Und die kostenneutrale Übernachtung in einer ausgewiesenen Halle zum Nulltarif ist nicht bei jedem Bundesparteitag möglich. Man ist im Zweifel also immer auf Almosen angewiesen, und bei vielen ist die Scham, diese zu erfragen zu hoch.

Es wurden noch viele weitere wichtige Argumente genannt, die ich hier ob der mangelnden Zeit natürlich nicht alle aufzählen kann. Ich möchte allerdings noch auf ein wichtiges Argument eingehen, welches immer wieder angeführt wurde.

Es geht um die Kritik an den Delegationen! Warum halte ich persönlich Delegationen für richtig und wichtig? Immer wieder wird die Behauptung angeführt, Delegationen würden zu undemokratischen Superdelegierten, also einer Art Diktatorenriege führen. Dies ist bei der aktuellen Umsetzung innerhalb des LiquidFeedback-Systems natürlich völlig korrekt. Wenn man allerdings ein paar Mechanismen einbauen würde könnte dieser Fehler ausgeräumt werden.

Ich glaube, dass Delegationen sehr wichtig sind, denn ich kann mir persönlich nicht zu jedem abgestimmten Thema eine qualifizierte Meinung bilden. Das ist im Rahmen meiner Zeitplanung und auch meines begrenzten Fachwissens nicht umsetzbar. Und wenn ich die Möglichkeit der Delegation nicht habe entsteht ein unwillkommenes Phänomen, dass ein sehr geringer Teil der (fachkundigen) Mitglieder der Piratenpartei ein Thema alleine entscheiden würde. Wahrscheinlich weiß ich noch nicht einmal, wer diese Personen überhaupt sind. Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor: Genau, der gleiche Mist wie bei Superdelegationen: Irgend eine Zeitelite oder besonders gute Redner, denen ich (wahrscheinlich) keine Kompetenz ausgesprochen habe, trifft Entscheidungen in meinem Namen.

Aber warum sind Delegationen dann die bessere Wahl? Immerhin habe dort nämlich die Möglichkeit, bestimmten Personen, die ich persönlich für kompetent und sachkundig erachte, mein Vertrauen auszusprechen. Statt einer anonymen Masse habe ich also in der Hand, wem das Stimmgewicht zufällt.

Es entstehen also durch ein Delegationssystem keine Nachteile für mich, jedoch mindestens ein Vorteil!

Mir ist das Problem der Superdelegationen dennoch bewusst, weswegen ich genau hierfür noch einen Vorschlag machen möchte. Lasst uns die Delegationen zeitlich begrenzen. Verfallen Delegationen nach beispielsweise drei Monaten automatisch, dann können Superdelegierte zwar nach wie vor entstehen, jedoch ausschließlich dann, wenn dies auch explizit so erwünscht ist. Es wird ein ständiges Eingreifen in das System erfordert, um Superdelegierten ihre „Macht“ zu erhalten.

Daher bitte ich Euch alle darum, gleich für die Online-SMV zu stimmen.

Bevor wir Fehler im System finden können, müssen wir zunächst einen Testlauf starten und das Programm an unsere Anforderungen anpassen. Ich hoffe, dass wir den Mut auch dazu aufbringen können, wie wir es bei vielen unserer Forderungen zuvor ebenfalls bewiesen haben. Es wäre äußerst schade, wenn wir gerade bei den Themen Beteiligung und Basisdemokratie nicht vorangehen, sondern unseren Mitbewerbern, wie den Grünen, vorsichtig hinterhertapsen!

Noch ein Hinweis: Dieser Beitrag wurde während der laufenden Versammlung geschrieben und konnte daher mangels Zeit und Konzentration nicht gegengelesen werden.

Es war irgendwann im Herbst oder Winter 2009, als ich mit ein paar Stammtischfreunden in Richtung Schwäbisch Gmünd unterwegs war, und wie das bei längeren Fahrten so ist, wurde natürlich auch über diverse Themen diskutiert. Irgendwann fiel ein Begriff, den ich bis dato noch nie gehört habe. Die Rede war von dem bedingungslosen Grundeinkommen. Interessiert fragte ich nach, worum es sich denn da handele, woraufhin mein Mitfahrer mir einen kurzen Abriss zu dem Thema gab. Er erwähnte, dass er sich innerhalb einer Arbeitsgruppe bei den Piraten mit dem Thema auseinandersetzen würde, allerdings mangels Zeit nicht zu tief in dem Thema verankert sei.

Für mich schien die Idee zunächst völlig wirr, die bekannten Vorurteile wanderten durch meine Gedanken. „Wie soll das denn funktionieren?“, fragte ich mich, und natürlich auch, wer das denn bezahlen solle. Doch die Bedenken gingen noch viel Tiefer: Ist es denn nicht ungerecht, einem Menschen einfach so Geld zu überlassen, ohne dass dieser sich für den Obolus auch bemüht und einer Arbeit nachgeht? Ich war verunsichert, doch das Thema blieb mir im Hinterkopf.

Erst viel später, als das Thema nach dem Bundesparteitag in Chemnitz wieder aktuell wurde, habe ich mich in der Not gesehen, mich mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen. Ich habe Informationsquellen gesucht und gefunden und mit der Zeit klärten sich immer mehr scheinbare Widersprüche auf. Von einem Kritiker wurde ich immer mehr zu einem Befürworter eines BGE. In Offenbach schloss ich mich schließlich der Parteimehrheit überzeugt an und stimmte für das Ja zur offenen Debatte, zur Enquete-Kommission und zur Volksabstimmung.

Ich habe das Wort „eines“ oben bewusst kursiv gesetzt, denn dass nicht über ein konkretes Modell votiert wurde, hat mir die Entscheidung sehr erleichtert. Es kursieren derzeit mindestens doppelt so viele Modelle für ein BGE, wie ich Finger an den Händen habe, manche davon bis ins Detail durchgerechnet, andere eher als grobe Idee zu verstehen. Ich wollte daher diese Gelegenheit nutzen, um Anforderungen zu formulieren, die ich an ein bedingungsloses Grundeinkommen richten würde, ich möchte aber auch für mich offene Fragen in den Raum stellen, die meine verehrten Leser mir gerne beantworten dürfen.

Der wichtigste Faktor für mich ist, dass das BGE die Existenz in vollem Umfang sichert und ein ausreichendes Maß an sozialer Teilhabe ermöglicht. Ich beziehe mich ausdrücklich auf die vier Grundregeln, welche ein BGE ausmachen. Meinem persönlichen Gefühl nach müsste der Satz bei circa 700–800 Euro im Monat liegen. Kinder sollten in meinen Augen einen geringeren, an den Realbedarf angepassten und gestaffelten Betrag beziehen. Die Auszahlung hat dabei aber individuell zu erfolgen, die Anzahl der Kinder in einer Familie darf also weder zu deren finanziellen Vor-, noch Nachteil werden. Da Menschen im hohen Alter kaum noch die Kraft haben, ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften, könnte ich mir auch einen Rentnerbonus vorstellen, also einen erhöhten Betrag ab einem gewissen hohen Lebensalter, der jedoch nach wie vor unabhängig von der beruflichen Qualifikation bezahlt wird. Dies impliziert natürlich einen Wegfall der bisherigen Rentenkassen, wobei zugesicherte Renten über dem BGE-Niveau selbstverständlich nicht verfallen sondern garantiert ausbezahlt werden.

Einen entkoppelten Mietzuschlag lehne ich ab, da dieser kaum ohne eine Bedürftigkeitsprüfung gewährt werden kann. Außerdem ist mir die Datensparsamkeit ein wichtiges Anliegen; dem Staat geht es nichts an, wie viel Miete ich für meine Wohnung bezahle. Energie- und Wasserkosten sowie sonstige Gebühren, beispielsweise für die Müllentsorgung, sollen in das BGE mit einbezogen sein und ebenfalls von diesem bezahlt werden.

Vergleicht man die verschiedenen Modelle, so kann man diese vom Finanzierungsaspekt grob in zwei Gruppen teilen: Umsatzsteuer- oder Einkommenssteuerfinanziert. Ich habe lange geglaubt, dass nur Modelle der letzteren Gruppe wirklich gerecht sind, da ansonsten vor allen Dingen der Konsument, also der umgangssprachliche kleine Mann, bezahlt. Angeregt durch zahlreiche Diskussionen, die ich in den vergangenen Tagen und Wochen führte, und nicht zuletzt den Fernsehauftritt von Johannes Ponader bei Markus Lanz (ZDF) bin ich mir allerdings nicht mehr sicher, ob dieser Glaube richtig war.

Die Vorteile einer rein mehrwertsteuerfinanzierten Lösung erschließen sich schnell, wenn man darüber nachdenkt: Es gibt aufgrund der Systemarchitektur keine Möglichkeit mehr, schwarz zu arbeiten oder Steuern zu hinterziehen. Das Steuersystem wäre derartig vereinfacht, dass ich für die Steuererklärung noch nicht einmal mehr einen Bierdeckel bräuchte – eine Sensation! Dabei ist das System allerdings durch das BGE nach wie vor progressiv und gleichzeitig transparent für jeden von uns, die bezahlten Steuern stehen auf den Cent genau auf dem Kassenzettel beziehungsweise auf der Rechnung.

Mich hat vorwiegend eine plakative Frage auf diesen Gedanken gebracht, die ich letztens in irgend einem Video zu dem Thema gestellt bekam: „Wer bezahlt eigentlich Ihre Lohnsteuer?“ – Was für eine grandiose Frage! „Ich natürlich!“, sagte ich mir, doch dann stutzte ich, denn meinen Lohn bezahlt mein Arbeitgeber. Wobei das auch nicht stimmt, denn der hat bekanntlich keine Gelddruckmaschine im Keller stehen, sondern gibt mir einen Teil seines Gewinnes weiter. Letztlich bezahlt meine Lohnsteuer also der Endkunde, der die Produkte seiner Firma kauft. Neben der gekennzeichneten Mehrwertsteuer von 19 Prozent des Kaufpreises bezahlt der Kunde also noch mindestens eine versteckte Steuer mit. Denkt man weiter darüber nach, bezahlt der Endkunde sogar alle Steuern, die auf dem langen Weg der Fertigung der gekauften Ware anfallen.

Wenn ich mir im Laden ein Produkt für einen Euro kaufe, zahle ich knapp 16 Cent Mehrwertsteuer. Es verbleiben noch 84 Cent, der Nettopreis. Doch in Wirklichkeit ist dieser Preis gar nicht netto, denn er enthält, wie eben geschlussfolgert, eigentlich noch einen erheblichen Anteil an Steuern, die der Produzent an mich weiter gibt. Ich kenne den Prozentsatz nicht genau, doch aus dem Gefühl heraus schätze ich, dass von den übrig gebliebenen 84 Cent noch einmal 40–50 Prozent weitergereichte Steuern sind. Schnell kommt man auf einen echten Steuersatz, der im mittleren zweistelligen Bereich liegen wird, und eben nicht die 19 Prozent, die auf dem Kassenzettel ausgewiesen sind.

Den ganzen komplexen Steuerapparat könnte man mit einem rein mehrwertsteuerorientierten Modell in Gänze einstampfen. Jeder wüsste genau, wie viel des bezahlten Kaufpreises an den Staat gehen, komplexe Steuerausgleiche wären nicht mehr nötig. Außerdem habe ich mir sagen lassen, wobei ich das nicht nachgeprüft habe, dass die Mehrwertsteuern monatlich an den Fiskus gehen, während Lohnsteuern nur jährlich abgerechnet werden. Dies würde, so der Verkünder, den Staat deutlich liquider machen.

Bei dem Konzept sehe ich aber dennoch Probleme: Ab einem bestimmten Lohnbetrag kann ich das eingenommene Geld nicht mehr ein zu eins ausgeben. Wer sein Geld also spart, statt zu konsumieren, profitiert auf Kosten derjenigen, die ihr monatliches Etat großenteils verkonsumieren. Außerdem sehe ich im Zuge der Globalisierung die Gefahr, dass viele Menschen hierzulande arbeiten würden, da ein Land ohne Einkommenssteuer attraktiv wirkt, den Konsum von vorwiegend teuren Luxusgütern aber im Ausland tätigen würden, wo es aufgrund der geringeren Mehrwertsteuer ein Sparfaktor wäre. Folglich hätte man also doch wieder eine Art Steuerhinterziehungsmodell.

Eine schöne Lösung ist mir bisher noch nicht eingefallen, nur, dass man beispielsweise alle Geldtransfers aus dem Land heraus voll besteuern könnte. Aber ob das die Lösung ist?

Wichtig wäre mir für ein BGE auf jeden Fall noch ein automatischer Inflationsausgleich; der Betrag sollte also Jährlich automatisch und ohne Zutun um die gemeldete Vorjahresinflation erhöht werden.

Ein Thema, das mir auch noch nicht ganz klar gelöst vorkommt ist das der regionalen Preisunterschiede. Alleine in meiner kleinen Welt, die sich vielleicht fünfzig Kilometer um meinen Wohnort herum ausbreitet, gibt es teils extreme Preisunterschiede bei den Konsumgütern, vorwiegend Lebensmittel und Benzin. Im beschriebenen Radius zeigt der Treibstoffpreis beispielsweise ein recht konstantes Ost-West-Gefälle von zehn bis 15 Cent; ein Schnitzel in der Wirtschaft kann gerne je nach Ort ein oder zwei Euro teurer sein. Interessant zu erwähnen ist vielleicht, dass die beide Scheren kurioserweise entgegengesetzt verlaufen, wobei dies ein anderes Thema ist, welches ich hier nicht vertiefen möchte. Offenbar haben die Franken aber lieber ein Schnitzel im Bauch als Kraftstoff im Tank …

Um aber auf das Thema zurück zu kommen: Mir fehlen noch konkrete Konzepte, wie man auf lokale Gegebenheiten angemessen reagieren kann. Macht man die Höhe des BGE vom Wohnort abhängig? Sorgt man anderweitig für eine Angleichung? Das würde mich interessieren.

Ich glaube jedenfalls, dass das BGE sowohl wirtschaftlich, wie auch gesellschaftlich einen positiven Wandel in Deutschland einleiten würde. Danach strebe ich.

Es war der Abend des Bundesparteitags, namentlich Sonntag, der 29. April, als mich vom frisch gewählten politischen Geschäftsführer, Johannes Ponader, eine direkte Nachricht auf Twitter erreichte, er benötigte Hilfe bei der Umsetzung einer Idee. Er bat mich um ein Telefongespräch, welches noch in jener Nacht stattfand, in der zahlreiche Piraten wohl noch auf dem Heimweg waren. Johannes, mit dem ich schon vorher in anderen Belangen zusammenarbeitete, weihte mich fernmündlich in jene Idee ein, die ihm nach meinem Gefühl und Verständnis eine Herzensangelegenheit ist. Es ging um Shitstorms, um sachliche Kritik, um Marina Weisband, ihren Umgang mit Kritik und nicht zuletzt um eine Bitte, die ich noch vor dem nächsten Sonnenaufgang erfüllt haben würde.

Die Idee war simpel wie genial: Ein einfaches, klar und sachlich strukturiertes Webformular, um an ausgewählte Personen sachliche Kritik zu richten. Die Eingaben würden dem Empfänger aufbereitet per E-Mail zugehen. Die Auswahl und Beschriftung der Felder sollte die Kritik in eine konstruktive Richtung bündeln.

Kaum eine Stunde später war der erste Prototyp fertig, der Webspace eingerichtet und Johannes begeistert; SolidFeedback, die Idee für den Namen kommt im Übrigen von Johannes, war geboren. Wir stellten das Projekt im kleineren Kreis dem kompletten Team PolGF vor, welchem auch ich angehöre. Im Mumble stellten wir öffentlich, jedoch ohne groß Werbung dafür zu verbreiten, das Programm zunächst allen anwesenden vor, sammelten Rückmeldungen, dachten über Optimierungsmöglichkeiten nach. Die geäußerte Idee, die jeweiligen Adressaten photographisch darzustellen, wurde sogleich umgesetzt. Außerdem verfassten wir gemeinsam das Kleingedruckte im unteren Bereich. Weiterhin wurde vorgeschlagen, in einem späteren Entwicklungsstand die Möglichkeit zu schaffen, die Daten zur Vorfilterung an ausgewählte Personen zu senden, die diese dann für den eigentlichen Empfänger erst freigeben müssen. Dies ist angelehnt an das Bewertungssystem aus Marinas Blog, welches allerdings auf ein eingesetztes Team statt auf Crowdsourcing setzt. Dies hat vor allen Dingen den Grund, dass es grundsätzlich auch möglich sein soll, vertrauliche Kritik zu äußern, die der Kritiker nicht öffentlich vertreten möchte.

Wir beschlossen dann gemeinsam, die Beta-Version am gestrigen Abend parteiöffentlich zu machen. Johannes wollte das Konzept vorher noch dem Bundesvorstand vorstellen, woraufhin sich zwei weitere Mitglieder interessiert gezeigt haben und sogleich ihre Teilnahme ankündigten. Wir wählten den Erzengel als Forum zur Präsentation und waren überrascht über den großen Andrang, da das Thema im Vorlauf kaum auf Interesse und Spannung gestoßen ist. Kurz vor der Veröffentlichung fand noch ein kurzes Gespräch zwischen mir und Johannes statt, in welchem wir dem Programm besonders aus optischen Gesichtspunkten den letzten Schliff gaben. Die Vorstellung eröffnete dann Johannes mit der Erläuterung der Grundidee. Als ich das Wort übernahm, gab ich noch ein paar technische Hintergrundinformationen und stellte das Portal dann öffentlich.

Ich war sehr erstaunt ob der überwiegend positiven Reaktionen seitens der Anwesenden im Saal. Die Website wurde ausgiebig getestet, auftretende Fehler und Anregungen wurden kollaborativ notiert und zur Beseitigung vorgemerkt. Im Laufe der Diskussion wurde mir auch die Frage gestellt, unter welcher Lizenz das Programm denn veröffentlicht sei. Ich gab bekannt, dass die Quelltexte öffentlich sind und ich außerdem jeden dazu einladen möchte, sich aktiv an der Entwicklung zu beteiligen. Dazu habe ich noch am gestrigen Abend ein GitHub- Repository angelegt. Mehrere Personen haben bereits Interesse bekundet, mich unterstützen zu wollen.

SolidFeedback befindet sich derzeit in der Testphase. Sobald wir alle bekannten Fehler beseitigt haben ist jedes Piraten-Mitglied, welches selbst an dem System teilnehmen möchte, dazu eingeladen, als Empfänger in der Liste zu erscheinen. Wendet Euch dazu einfach direkt an mich oder an Johannes Ponader. Schickt bitte auch gleich ein geeignetes Foto, möglichst als JPG im Format 150×225 Pixel, sowie Eure gewünschte E-Mail-Adresse mit. Das System ist nicht nur Mitgliedern des Bundesvorstandes vorbehalten, sondern steht grundsätzlich jedem Piraten offen!

Das Opfer eines Shitstorms kann, wenn es hart auf hart kommt, alle Kommunikationskanäle bis auf SolidFeedback schließen und so das Echo kanalisieren. Verschiedene Faktoren wie das Bild des Empfängers sowie die Gestaltung der Seite helfen hoffentlich, Trollkommentare zu vermeiden und die Entrüstung dahingehend zu lenken, dass Vorschläge gemacht werden, wie man den sprichwörtlichen verfahrenen Karren wieder aus dem Dreck bekommt. Klar ist uns aber gewiss, dass das System nur lindernd wirken kann. Im Gegensatz zu Twitter fehlt hier allerdings die Möglichkeit des Weiterverbreitens, was von jedem Benutzer eine eigene Anstrengung erfordert, die Kritik in Worte zu fassen.

Ich bin gespannt, ob SolidFeedback sein Ziel erfüllen kann, genau dann wirksam zu werden, wenn eine Debatte innerhalb der Partei über die Stränge schlägt und persönlich wird. Der Kommunikationskultur und dem menschlichen Miteinander innerhalb der Partei wäre damit jedenfalls ein großer Dienst erwiesen, wenn sich ein derartiges System bewährt. Vielen Dank bereits für die vielen positiven Rückmeldungen!

Lähmende Momente

Bestimmte Themen sind dazu geeignet, Aufmerksamkeit zu lenken. Eines, welches die Piratenpartei gerade lähmt ist ihre Extremismusdebatte, die vorwiegend durch ein kürzlich gescheitertes Parteiausschlussverfahren initiiert wurde. Die Debatte, welche jetzt erst in die Öffentlichkeit gelangte, schwelt jedoch im Parteiinneren schon seit Jahr und Tag. Plötzlich dreht sich alles um Extremismus; die Einen grenzen sich scharf ab, Andere versuchen, die Wogen zu glätten und wieder Andere stellen sich hinter die vermeintlichen Opfer der Debatte und relativieren, wenn auch oft nicht namentlich, sondern unter bewusst wertenden Pseudonymen wie „Andersdenkende“ oder „Vertreter von Minderheitenmeinungen“, deren Handlungen oder Aussagen.

Immer öfter fällt mir auf, dass in der Presse hochkochende Themen eigentlich keine Neuigkeiten sind sondern stets durch irgend einen Auslöser plötzlich neue Popularität erfahren. Sei es das Nazi-Thema, die kürzlich eskalierte Sexismusfrage oder auch das immer wieder gern in den Mittelpunkt gestellte Positionierungsproblem der Vorstände. Letztlich geht es mir hier aber auch gar nicht um die Themen an sich, sondern um das, was passiert, wenn sie präsent sind: Es wird nämlich über nichts mehr anderes diskutiert.

In den vergangenen Tagen gab es so viele Steilvorlagen, die die Piraten hätten nutzen können. Stattdessen geht es auf allen Kanälen nur um mehr oder weniger gelungene Aussagen zur Extremismusdebatte; man dreht sich im Kreis. Sucht man auf der Homepage der Piratenpartei Deutschland beispielsweise nach einer Pressemeldung zum kürzlich gefällten GEMA-Urteil betreffend YouTube findet man … nichts. Und was sagen die Piraten zur von Innenminister Friedrich geplanten Aufweichung des Schengen-Abkommens? Man kann es sich denken: Nichts.

Schade finde ich an dieser Stelle ganz besonders, dass von der Gruppe 42 hier keine Intervention stattgefunden hat. Gerade diejenigen, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, sich speziell um die Gründungsthemen zu kümmern, sollten eigentlich hier Präsenz zeigen und der Partei aufzeigen, dass sie sich in Details verrannt hat und dabei das große Ganze aus dem Blick verloren hat. Noch konstruktiver wäre es gewesen, speziell zu diesen Themen Pressemitteilungen zu veröffentlichen. Im Parteiprogramm steht schließlich genug für eine fundierte Aussage.

Im Übrigen wäre es eine weitere klare Abgrenzung gegen Rechts gewesen, hätte man sich deutlich gegen Friedrichs Forderungen gestellt. Dieser fordert nämlich, es den Schengen-Mitgliedern zu erlauben, unter bestimmten Umständen die Grenzen wieder abzuriegeln. Begründet wird dies mit angeblich gestiegener Kriminalität von Immigranten und erhöhter Drogenkriminalität. Es erhärtet sich jedoch der Verdacht, dass der deutsch-französische Vorstoß nicht mehr als taktische Wahlkampfhilfe für die Konservativen in Frankreich ist.

Eine klare Kante gegen Demokratiefeinde zu zeigen ist löblich und notwendig, liebe Piraten, man darf aber im Eifer der Auseinandersetzung nicht die Welt um sich herum aus den Augen verlieren. Deshalb: Klare Kante auch bei den Kernthemen.

Alles für umme!

Das Mindesthaltbarkeitsdatum machte in den vergangenen Wochen immer wieder laut von sich reden. Doch mit diesem hat dieser Artikel nur bedingt etwas zu tun, wohl aber mit der Haltbarkeit an sich. Eine jener Dinge, die praktisch kaum kaputt zu bekommen sind, sind Gerüchte. Einmal gestreut verbreiten sie sich wie ein Lauffeuer, Wüten durch die Landschaft und fordern deren Bekämpfer zu einem unerbittlichen Kampf heraus.

Verfolgt man die Nachrichten zur Politik sticht in letzter Zeit immer wieder eine Anschuldigung hervor: Die politischen Senkrechtstarter der Piratenpartei forderten und förderten eine so genannte Kostenlos-Mentalität. Also „Alles für umme?“

Was genau wird den Politpiraten vorgeworfen? Immer wieder gerne wird der kostenlose öffentliche Nahverkehr in den Raum geworfen. Fast noch beliebter ist das „unfinanzierbare“ bedingungslose Grundeinkommen, welches beim letzten Bundesparteitag den Weg ins Programm gefunden hat. Auch die Forderung nach einem besseren, deutlich erweiterten Schulsystem, vom Staate finanziert, trifft auf viel Gegenwind.

Doch so einfach ist die Wahrheit leider nicht. Auch dem letzten Piraten ist klar, dass nicht einmal der Tod kostenlos ist. Warum also fordert die Piratenpartei überall den kostenlosen Nahverkehr? Die Antwort ist einfach: Weil sie es nicht tun. „Hä? Aber das ist doch erst kürzlich in der XY-Zeitung gestanden! Und im Fernsehen haben die das auch gesagt!“

Und genau da wären wir bei dem Problem: Ob nun unbewusst oder beabsichtigt verbreiten viele Medien einen Irrtum. Tatsächlich war der Arbeitstitel dieses Gassenhauers tatsächlich irgendwann 2009 oder 2010 einmal „kostenloser ÖPNV“, daraus wurde dann aber schnell im Zuge der vergangenen NRW-Wahl der „ÖPNV zum Nulltarif“ und später dann der „fahrscheinlose ÖPNV“, wie er heute auch im Parteiprogramm als Positionspapier verewigt ist.

Ich möchte den Programmpunkt, der mit aus meiner Feder stammt, kurz erläutern: Langfristiges Ziel ist es, in ganz Deutschland den Nahverkehr nicht mehr über Fahrscheine sondern durch Abgaben zu finanzieren. Schon heute wird der ÖPNV größtenteils durch staatliche Subventionen getragen. Lukrativ sind nämlich für die Unternehmen der Personenbeförderung, allen voran die Bahn, nur die Fernverbindungen. Je nach Gemeinde oder Bundesland ist damit zu rechnen, dass nur 20–40 % der entstehenden Kosten durch den Fahrkartenerlös gedeckt werden; die Differenz wird mit Steuergeldern gedeckt.

Der Entwurf sieht nun vor, die kompletten entstehenden Kosten gemeinschaftlich zu finanzieren und dadurch auf die Fahrkarten und die komplette Infrastruktur drumherum zu verzichten. Wegfallen werden unmittelbar insbesondere die Betriebs-, Wartungs- und Anschaffungskosten der Automaten, die Materialkosten für die Fahrkarten an sich sowie die Kosten für die Fahrkartenkontrolleure. Nimmt man hier ein Einsparpotential von 10 % der Gesamtkosten an, so bleibt ein restlicher Finanzierungsaufwand von 10–30 % der Gesamtkosten übrig. Dieser Aufwand soll über eine Abgabe, also eine zweckgebundene Steuer, sowie gegebenenfalls über eine Kurtaxe für Touristen, wo es sich lohnt, finanziert werden.

Aus Erfahrungen mit bereits umgesetzten Modellen wie in der belgischen Provinzhauptstadt Hasselt ist bekannt, dass sich durch solch ein Konzept die Fahrgastzahlen vervielfachen. Dies erzeugt im logischen Schluss zunächst einen erhöhten Finanzierungsaufwand, da Neufahrzeuge angeschafft werden müssen. Gleichzeitig können aber dadurch auch die Taktzeiten reduziert werden, sodass der Bus nicht mehr nur jede Stunde sondern vielleicht alle 15 Minuten kommt. Dies macht die Verwendung des Nahverkehrs für alle attraktiver, es entstehen außerdem neue Arbeitsplätze. Langfristig, und dies ist nicht zu verachten, sinkt dadurch natürlich auch die Belastung der Verkehrswege, was neues Einsparpotential eröffnet, die Straßen werden leerer, die Abgasbelastung im innerstädtischen Bereich sinkt. Gegebenenfalls können langfristig sogar ehemalige Verkehrsflächen in den Zentren zu Fußgängerzonen umgewidmet werden, was die allgemeine Lebensqualität im Umfeld weiter erhöht.

Kostenlos ist das Ganze aber bestimmt nicht! Aufgrund des wahrscheinlichen Anstiegs der Nutzerzahlen ist sogar mit anfänglichen Mehrkosten zu rechnen, um die Anschaffung der benötigten Neufahrzeuge zu finanzieren. Die positiven Effekte werden dies erst nach einigen Jahren ausgleichen können.

Und das bedingungslose Grundeinkommen? Schlaraffenland? Denkste! Natürlich haben auch hier die Piraten nichts zu verschenken. Nun muss man zunächst ein mal wissen, dass es nicht ein BGE gibt; dies ist viel mehr ein Überbegriff für verschiedene Modelle. Konkrete Konzepte gibt es aus verschiedenen Lagern: Prominent ist beispielsweise Götz Werner als Vertreter der Wirtschaft oder auch Dieter Althaus von der CDU. Auch die Piraten entwickeln derzeit eigene Modelle. Eines haben alle Modelle mindestens gemeinsam: Das Geld zur Finanzierung wird nicht etwa herbeigezaubert sondern durch Steuern eingenommen. Wie hier konkret vorgegangen wird steht freilich auf einem anderen Blatt. So fordern die einen Modelle eine höhere Besteuerung von Einkommen oder Vermögen, die Anderen wiederum setzen am Mehrwertsteuersatz an und wieder andere Modelle kombinieren beide Ansätze oder gehen gar einen ganz anderen Weg.

Klar wird jedoch auch hier: Ein Schlaraffenland mit kostenloser Schokolade für jeden, wie ich letztens erst las, ist das nicht. Bevorteilt werden im Vergleich zum jetzigen System Geringverdiener, Sozialhilfeempfänger und diejenigen, die von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz verlieren. Für Personen mit einem mittleren Einkommen wird sich kaum etwas ändern, da die Steuererhöhung das BGE auffrisst. Bezieher hoher Einkommen müssen mit erhöhten Abgaben rechnen.

Die Modelle unterscheiden sich außerdem darin, welche Leistungen sie einschließen. Hier gibt es von der Minimalanforderung (Ersatz von „Hartz IV“) kaum eine Grenze nach oben: Kindergeld, Krankenversicherung und Rente.

Eines sollte jedoch jedem klar sein, der über die Piratenpartei nachdenkt, ob nun wohlwollend oder feindselig: „Alles für umme!“ gibt es auch mit den Piraten nicht. Es macht einen Unterschied, ob man Dinge anders finanziert oder gar nicht finanziert. Ersteres fordern die Piraten, letzteres behauptet die Presse. Für das oben genannte Schulsystem gilt das im Übrigen ebenso, und gerade im Hinblick auf die Berichterstattung scheint bessere Bildung Not zu tun. Vielleicht versteht dann die nächste Generation der Journalisten auch den Unterschied zwischen fahrscheinlos und kostenlos.

Aktualisierung 17.04.2012: Link zum Wikipedia-Artikel über den fahrscheinlosen ÖPNV in Hasselt eingefügt. Danke an ichliebeinkognito und RAL.

Kritik und Diskurs

Ein Vorwurf, dem sich die Piraten in den letzten Tagen immer gehäufter stellen müssen ist, dass sie ständig in interne Streitereien verwickelt wären. Unlängst erst berichtete die Tagesschau über den „Brandbrief“ der Jungen Piraten, welcher der Partei die Duldung von Diskriminierung im Allgemeinen und Sexismus im Besonderen vorhält.

Bei den derzeit im Bundestag vertretenen Parteien wäre ein offener Brief mit solch schweren Anschuldigungen allemal eine Schlagzeile wert, doch wie steht es um die Piraten? Glaubt man dem Medienecho befindet sich diese Partei im Dauerstreit um Nichtigkeiten und verliert sich ständig im Detail, während die „wichtigen Themen unserer Zeit“ zu einer Randnotiz heruntergestuft werden.

Zunächst einmal fällt überraschenderweise auf, dass eine Partei, die in der Öffentlichkeit das genaue Gegenteil von Geschlossenheit repräsentiert trotzdem, und entgegen aller medialer Erwartungen, gewählt wird.

Dieses Phänomen zu erklären fällt jedoch noch vergleichsweise leicht, wenn man sich das derzeitige deutsche Politiksystem in seiner Gesamtheit zu Gemüte führt und zu verstehen versucht. Der Tenor der Etablierten ist geprägt von der Einheitsmeinung. Diskussion findet, wenn überhaupt, nur hinter allzu verschlossenen Türen statt und dringt nicht an die Öffentlichkeit. Durch die Fassade blickt nur das, was auch für die Außenwelt bestimmt ist: Eine geschlossene Meinungsäußerung, Phrasen, wie wir sie aus dem täglichen Politikbetrieb kennen.

Die Sollbruchstelle dieses Systemes ist der Ausnahmezustand „Streit“. Kommt es zu einem öffentlichen Diskurs, wie erst vor wenigen Monaten in der FDP, sind die Fronten sofort verhärtet und die Parteiführung schaltet auf Angriff wider den Rebellen. Sofort springt die Presse auf das Boot auf und inszeniert medienwirksam, rückt die Streithähne in das rechte Scheinwerferlicht, positioniert sich.

Die Öffentlichkeit nimmt das Auftreten der Piraten derweil als erfrischend und neu wahr. Eine Partei, die offen über Defizite spricht und neue Denkanstöße bietet hat man bisher selten gesehen. Dies ist wohl der wichtigste Grund, welcher derzeit für die durchgängig guten Umfragewerte verantwortlich ist.

Nun dürfte auch dem letzten Hinterhofjournalisten, der sich mit der Piratenpartei auseinandergesetzt hat, klar geworden sein, dass der Diskurs hier öffentlich stattfindet und nicht selten eskaliert und in einer Schlammschlacht endet.

„Kein Tag ohne sein #gate“, liest man so oder so ähnlich immer wieder auf Twitter. Selten geht es hier um echte Skandale; oft sind es nur Einzelne, die sich durch eine Äußerung eines Mitpiraten oder eines Medienteilnehmers angegriffen fühlen. Mobilmachen können die Piraten aber nicht nur bei Demonstrationen oder Petitionen, sondern auch bei der Zusammenrottung eines Mobs, der dann die gerade gekürte Sau durch’s Dorf treibt. Das Spiel geht in aller Regel zu Gunsten des Fackelschwingers auf.

Piraten lehnen Hinterzimmerpolitik ab – Diskurs findet öffentlich statt. Allerdings haben die Piraten nie behauptet, dass man sich auf dem Marktplatz duellieren muss, also geht man auf eine einsame Waldlichtung. Dort kann zwar jeder Interessierte dem Spektakel folgen, die meisten Außenstehenden kennen den Weg jedoch nicht. Letztlich ist Twitter genau diese Waldlichtung, die nur findet, wer danach sucht.

Dieser Umstand versetzt die Journalisten in eine äußerst bequeme Position, denn sie wissen einerseits, wo man nach der Lichtung suchen muss, andererseits finden sie im Dorfe aber auch Gehör. Je nach aktueller Stimmungslage und Gusto können sie so der großen Öffentlichkeit traute Einheit oder Hahnenkampf präsentieren. Außerhalb ihrer Waldlichtung haben die Piraten indes keine Medienhoheit.

Um sich zukünftig nicht mehr von den Medien auf der Nase herumtanzen lassen zu müssen bedarf es einiger Disziplin in der Partei. So ist es befremdlich, dass persönliche Fehden um private Nichtigkeiten gerne im Namen der Partei ausgetragen werden. Twitter und die diversen Mailinglisten sind jedoch keinesfalls der Ort, an dem diese Konflikte zu einem guten Ende geführt werden können. Aus persönlicher Erfahrung kann ich nur bestätigen, dass hier eine mündliche Aussprache oft unumgänglich ist, ob telefonisch oder, noch besser, Auge in Auge. Ich erachte es jedenfalls als Parteischädigend, wenn der private Streit über Parteimedien hinweg ausgetragen wird (und hier schließe ich ausnahmsweise auch Twitter mit ein).

Fernab privater Feindlichkeiten gibt es aber selbstverständlich auch den inhaltlichen Diskurs, der sogar unbedingt öffentlich auszutragen ist. Das eingangs genannte Beispiel ist hier exemplarisch. Aber auch hier ufert die Diskussion leider immer öfter in einen persönlichen Stellungskrieg aus. Jede Seite beharrt auf ihren Argumenten, keiner gibt nach, es kommt zu keinem Kompromiss. Die Folge: Stillstand.

Lieber wäre mir: „Wie machen jetzt das mit der sachlichen Diskussion!“

Wenn es die Piraten im direkten Kontakt mit dem potentiellen Wähler schaffen, diesen davon zu überzeugen, dass echter Meinungsaustausch und tatsächliche Kompromissfindung essenziell für eine Demokratie sind, dann kann und kein Handelsblatt und kein Innenminister Hermann mehr schaden. Wir müssen in der deutschen und europäischen Politik weg von der bedingungslosen Geschlossenheit und hin zur überlegten Entschlossenheit.

Starrköpfigkeit und Egoismus sind schlechte Berater für eine Gemeinschaftsaufgabe – und das ist die Politik nun einmal. Ich halte jeden einzelnen Piraten für intelligent genug, auf der Seite mit den stichhaltigeren Argumenten zu stehen. Ich lege ihm ans Herz, die eigenen Argumente dahingehend zu prüfen, ob sie sich auf das Thema oder den Diskutanten vis-à-vis beziehen. In letzterem Fall sollte man sich wohl überlegen, ob man sich nicht in einen Irrtum verrannt hat und an sachlichen Argumenten gar ist.

Den Medien mag es leicht fallen, Gezänke in den eigenen Reihen zu unserem Nachteil auszunutzen. Einen sachlichen Ideenaustausch auf, in und mit einer vernünftigen Basis werden sie aber nicht medienwirksam inszenieren können. Unsere Bürger sind keine Narren, die einen Konflikt nicht sauber in Streit und Diskussion scheiden können.

Lebenswirklichkeiten

Die Kirche entfremdet der Lebenswirklichkeit. Die Lebenswirklichkeit entfremdet der Kirche. Wir leben in einem Land, in dem sich rund sechzig Prozent der Menschen dem Christentum zugehörig fühlen – zumindest auf dem Papier, denn der Löwenanteil dieser wird sich wohl eher der Gruppe der Feiertagschristen zugehörig fühlen, also derer Menschen, die nur an Weihnachten und Ostern dem Gottesdienst beiwohnen. Jedes Jahr sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder um einen halben Prozentpunkt. Dies lässt den Schluss zu, dass die Kirche in der Lebenswirklichkeit des Deutschen im 21. Jahrhundert eine immer geringere Rolle spielt.

Bis heute jedoch hat die Kirche das Recht, in die Lebenswirklichkeit auch Derjeniger vierzig Prozent der Deutschen einzugreifen, die sich ihrer nicht zugehörig fühlen. Die Meisten von uns vernehmen das vornehmlich positiv, denn über die christlichen Feiertage, die sich dadurch ergeben beschweren sich allerhöchstens Geschäftsleute, die an diesen Tagen ihre Betriebe geschlossen halten müssen. Durch Aktionen der Grünen und Piraten am vergangenen Karfreitag wurde jedoch eine Repressalie in das öffentliche Bewusstsein gerückt, welche vielen Leuten bisher nur beiläufig oder gar nicht bekannt war: Das Tanzverbot an den so genannten stillen Tagen.

Je nach Bundesland gestaltet sich dies recht unterschiedlich. Neben dem schieren Tanzen bleiben in manchen Bundesländern auch Volksfeste geschlossen oder es sind gar sämtliche musikalischen Darbietungen polizeilich untersagt. Außerdem herrscht offenbar mancherorts ein generelles Demonstrationsverbot.

Des Deutschen liebe Beschäftigung ist es, sich über die Defizite anderer Länder und deren Bevölkerung zu echauffieren. Gerne müssen hier die „Schurkenstaaten“ in Nahost als Sündenböcke herhalten, die von Allahs Hand rigide geführt werden. Was hat das mit unserer säkularen Demokratie zu tun? In wie vielen Ländern wird es wohl ein polizeilich durchgesetztes Tanzverbot geben? Man kann es an zwei oder drei Fingern abzählen, je nachdem, ob man Informatiker ist, oder nicht. Doch welche Länder sind das? Die USA vielleicht, wo den Kindern mit dem Paddle der Kreationismus eingeprügelt wird? Falsch gedacht! Zunächst einmal sind wir in der guten Gesellschaft unserer Schweizer Nachbarn. Als dritter im Bunde gesellt sich der Iran zu uns. Welche Ironie: Die Einen, die den Bau von Minaretten verbaten, die Anderen, die die Christen verfolgen und mittendrin der Deutsche Michel, dessen Land in seiner Schreckensphantasie ständig von der Islamisierung bedroht ist. Gottesstaaten geben sich die Klinke in die Hand!

Deutschland, ein Gottesstaat? „Aber wir haben doch die Trennung von Staat und Kirche!“, mag sich jetzt der Leser denken. Doch leider ist es damit nicht weit her, denn der Einfluss der christlichen Kirchen in Deutschland reicht bis in den letzten Winkel der Politik hinein. Dies fängt an bei dem Privileg der über das Finanzamt eingezogenen Kirchensteuer, welches nur für die großen Landeskirchen gilt, geht über die Einladung von Kirchenvertretern in Ausschüsse und Beratungsorgane und endet bei Formulierungen wie in der Landesverfassung Baden-Württembergs, in der Schüler „in Verantwortung vor Gott“ und „im Geiste christlicher Nächstenliebe“ zu fördern sind.

Sicher, auch das Argument der Kirchen muss hier seinen Platz finden, denn durchaus leisten auch diese ihren Dienst an der Gesellschaft, indem sie von staatlichen Zahlungen mitunter Kindergärten und andere soziale Einrichtungen finanzieren. Doch genau hier liegt die Crux, denn das Geld fließt vom Staate einerseits, von der Kirchensteuer andererseits an die Kirchen. Fallen diese Zahlungen eines Tages weg, wird unser Sozialsystem daran nicht zerbrechen, denn das Geld kann auch direkt und ohne Umweg über den Kirchensäckel in die Sozialeinrichtungen fließen, wohl aber werden die großen Landeskirchen ein ernsthaftes Finanzierungsproblem bekommen, wenn sie plötzlich ihre Gelder eigenständig eintreiben müssen. Und der Tag wird kommen, denn die Kirche entfremdet sich immer mehr von der Lebenswirklichkeit der Menschen – und die Menschen von der Kirche.

Ich spreche mich aus für eine umfassende Entflechtung von Kirche und Staat. Immer weniger Menschen in Deutschland fühlen sich dem Christentum verbunden – und ich halte es für eine Zumutung, diesen Menschen vorzuschreiben, sich an den christlichen Kalender und die kirchlichen Gebote zu halten. Wenn wir die aktuellen Zahlen linear approximieren, wird im Jahre 2030 jeder zweite Deutsche sich nicht mehr dem Christentum verpflichtet fühlen, dennoch hätte er sich diesem unterzuordnen.

Kein Gläubiger ist in der Pflicht, an einem Fastentag in die Diskothek zu gehen, Musik zu hören oder zu tanzen. Keinem gläubigen Wirt wird das Recht verwehrt, an Feiertagen seiner Konfession seinen Schankbetrieb aufrecht zu erhalten. Wäre man konsequent, müsste man am Karfreitag nicht nur das Tanzen verbieten sondern auch den Verzehr von Fleisch unter Strafe stellen und dies dann auch polizeilich forcieren. Die Freiheit des Einen reicht bis an jenen Punkt, an dem die die Freiheit der Anderen tangiert. Hier jedoch maßt sich eine Interessensgemeinschaft, bald auch eine Minderheit, an, über die Freizeitgestaltung Aller zu diktieren.

Ich glaube an etwas Höheres, bin Christ, doch die Kirche ist mir ein suspekter Verein. Außerdem bin ich ein toleranter Mensch – und daher für eine Abschaffung des Tanzverbotes und für eine Streichung von Abschnitten, wie ich sie oben aus dem Schulgesetz des Landes Baden-Württemberg zitierte. Religion ist eine Angelegenheit von allerhöchster Privatheit, meine ganz persönliche Entscheidung. Ich kann es nicht gutheißen, wenn andere Menschen, die nicht an meinen Gott glauben, dessen Gebote unter der Androhung von juristischen Konsequenzen einzuhalten haben.

Man tut sich als Deutscher leicht, sich über die Unterdrückung von Christen und anderen Minderheiten in muslimisch geprägten Ländern zu empören. Doch wie steht es um unsere Lebenswirklichkeit am siebenten April im Jahre des Herrn 2012? Willkommen im 21. Jahrhundert, willkommen in Deutschland.